Behindertengleichstellungsgesetz
Die Bahnhöfe der Matterhorn Gotthard Bahn (MGBahn) werden barrierefrei
Ausgangslage
Am 1. Januar 2004 trat das Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz; BehiG) in Kraft. Das Gesetz gilt für öffentlich zugängliche Bauten und Anlagen, für öffentliche zugängliche Einrichtungen des öffentlichen Verkehrs (Bauten, Anlagen, Kommunikationssysteme, Billettbezug) und für Fahrzeuge, die unter anderem einem der folgenden Gesetze unterstehen: dem Eisenbahngesetz, dem Bundesgesetz über die Schweizerischen Bundesbahnen sowie dem Personenbeförderungsgesetz.
Umsetzungsstand
Die Matterhorn Gotthard Infrastruktur AG (MGI) hat sich in den letzten Jahren intensiv mit den Bahnhofsumbauten auseinandergesetzt. Bis heute sind auf dem Streckennetz der MGBahn 31 Stationen barrierefrei in Betrieb.
Im Jahr 2024 wurden die Stationen Gluringen und Oberwald umgebaut. Bei 7 der insgesamt 43 Stationen läuft das Plangenehmigungsverfahren (PGV) beim Bundesamt für Verkehr und bei den restlichen 4 Stationen (Herbriggen, Hospental, Andermatt, Oberalppass) ist die Eingaben vom PGV-Dossier geplant bis Ende 2025.
Seit dem 1. Januar 2024 muss jede Bahn an den noch nicht umgebauten Bahnhöfen Hilfestellung oder Ersatzmassnahmen anbieten, bis auch diese mit Hochperrons für einen barrierefreien Zugang ausgestattet sind:
- • Im Mattertal werden die Gäste von St. Niklaus, Herbriggen und Randa jeweils bis Visp oder Täsch transportiert und können dort barrierefrei umsteigen.
- • Im Goms werden die Gäste von Oberwald nach Obergesteln, von Münster nach Reckingen oder Ulrichen und von Gluringen, Niederwald und Fürgangen nach Fiesch bzw. nach Reckingen transportiert, wo sie barrierefrei in die Züge einsteigen können.
- • Im Urserental und der Surselva werden die Gäste von Realp und Hospental nach Andermatt transportiert. Von Sedrun bringen wir die Gäste nach Disentis und vom Oberalppass je nach Ziel nach Andermatt oder Tschamutt. Die Station Oberalppass kann nur im Sommer bedient werden, da im Winter die Passstrasse gesperrt ist.
Reisende mit Handicap melden sich vor der Reise (mindestens 2 Stunden im Voraus) beim SBB Contact Center Handicap unter 0800 007 102 (täglich von 5 bis 24.00 Uhr erreichbar).
Gesetzliche Grundlagen
Angestossen durch die eidgenössische Volksinitiative «Gleiche Rechte für Behinderte», die im Juni 1999 eingereicht wurde, trat am 1. Januar 2004 das Bundesgesetz über die Beseitigung von Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen (Behindertengleichstellungsgesetz; BehiG) in Kraft. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hat zusammen mit den Bahnen und dem Behinderten-Dachverband das weitere Vorgehen zur Umsetzung des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) an den Bahnhöfen und Eisenbahnhaltestellen festgelegt und konkretisiert.
Synergieeffekte dank der Kombination mit Instandsetzungs- und Ausbauarbeiten
Jede Bahnstation der MGBahn muss auf die Erfüllung des BehiG überprüft werden. Da alle Baumassnahmen an der Bahninfrastruktur durch den Bund und damit aus Mitteln der öffentlichen Hand finanziert werden, gilt es umso mehr, diese angemessen und verantwortungsvoll einzusetzen. Bei der Planung und Umsetzung ist daher zusätzlich zu prüfen, inwiefern sich weitere erforderliche Substanzerhalts- oder Ausbauarbeiten mit den notwendigen Massnahmen im Zuge des BehiG kombinieren lassen. Dadurch lassen sich personelle und finanzielle Ressourcen bündeln, die Arbeiten effizient durchführen und die Beeinträchtigung für Reisende im Bahnverkehr reduzieren.
Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass Arbeiten erst dann durchgeführt werden können, wenn die Massnahmen für die BehiG-Umsetzung an einem Bahnhof ebenso genehmigt und geplant sind, wie allfällige weitere Sanierungs- oder Modernisierungsanforderungen an der gleichen Station. Diese Koordinationsaufwände können wiederum den Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsprozess verzögern.
Die jeweiligen Bahnhofsumbauten erfolgen in Absprache mit dem BAV, das zugleich Aufsichts- und Bewilligungsbehörde sowie Finanzierungsgeber ist. Massgebliches Kriterium ist dabei die Verhältnismässigkeit. Bei höher frequentierten Bahnhöfen sind andere Baumassnahmen angebracht als bei Stationen mit weniger ein- und aussteigenden Personen pro Tag. Grundsätzlich gilt, dass an allen Stationen die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden.
Vorgaben für den behindertengerechten Ausbau
Wichtigster Aspekt bei der behindertengerechten Gestaltung der Bahnhöfe ist die niveaugleiche Einstiegsmöglichkeit in die Fahrzeuge. Hierzu müssen die Perronkanten auf dieselbe Höhe wie die Eingangstüre der Fahrzeuge angehoben werden. Zudem sind die Zugänge zu den Perrons rollstuhlgängig zu erstellen. Dies bedingt zum Teil den Bau von Unter- oder Überführungen mit Rampen, die eine maximale Steigung von zwölf Prozent mit einer Überdachung, respektive zehn Prozent ohne Überdachung nicht überschreiten dürfen. Sind Rampen aus Platzgründen nicht möglich, können die Perrons auch mit einem Lift erschlossen werden. Ferner gilt für Personen mit Einschränkungen, eine alle erreichende Kommunikation zu gewährleisten. Darüber hinaus müssen Sehbehinderte vom Bahnhofseingang bis zu den Fahrzeugen durchgehend mittels tastbarer Bodenleitsysteme mit Bodenindikatoren wie beispielsweise Rillen- und Noppenplatten geleitet werden.
Herausforderungen – langfristige Planung und Umsetzung bei laufendem Betrieb
Plangenehmigungsverfahren und -verfügung
Veränderungen an bestehenden Bahnanlagen benötigen grundsätzlich eine so genannte Plangenehmigungsverfügung (PGVf) seitens des BAV als verantwortliche Bewilligungsbehörde. Alle Infrastrukturprojekte benötigen eine intensive Planung, bevor mit der Ausführung begonnen werden kann. Dabei dauert die Planungsphase üblicherweise länger als die Ausführungsphase. Sie setzt sich aus den Phasen Vorstudie, Vorprojekt, Auflageprojekt, Ausschreibung und Ausführungsprojekt zusammen. Erst nachdem die Ausführungsdokumente erstellt sind, kann mit der Realisierung begonnen werden. Bei einem Umbauprojekt ist üblicherweise mit einem Jahr Vorbereitung, einem Jahr Planung, zwei bis drei Jahren Plangenehmigungsverfahren und ein bis zwei Jahren Ausführung zu rechnen.
Auch wenn sowohl die Transportunternehmen als Bauherren wie auch das BAV bestrebt sind, die Bahnhofumbauten prioritär zu behandeln, können Verzögerungen aufgrund der Vielzahl an Anträgen und erforderlichen Bewilligungen nicht ausgeschlossen werden.
Grossprojekte und Einsprachen
Besonders planungs- und abstimmungsintensiv sind Grossprojekte mit mehreren Beteiligten, wie das beispielsweise der Fall in Andermatt (UR) oder Brig (VS) ist. Hier steht die MGBahn zusätzlich in Abstimmung zwischen und mit den Projektpartnern. Allein der Austausch und die Berücksichtigung aller berechtigten Interessen, inklusive allfälliger Kompromisslösungen, ist zumeist ein grösserer Zeitfaktor, bevor die konsolidierten Planungsdokumente überhaupt eingereicht werden können.
Eine weitere Hürde bei der Umsetzung kann in allfälligen Einsprachen liegen. Das Plangenehmigungsverfahren sieht eine solche Möglichkeit durch Betroffene explizit vor. Jede Einsprache muss geprüft und beurteilt werden. Allenfalls dadurch erforderliche bauliche Anpassungen sind wiederum zu planen und müssen erneut genehmigt werden, was automatisch Verzögerungen zur Folge hat. Dies ist bspw. bei der BehiG-Umsetzung am Bahnhof Sedrun (GR) der Fall.
Bauen bei laufendem Betrieb
Eine grosse Herausforderung stellen zudem Umbauten bei laufendem Bahnbetrieb dar. Oberstes Ziel bei den Umbaumassnahmen ist es, den Fahrplan möglichst wie veröffentlicht abzubilden und diesen nicht nur temporäre Sperrungen zu beeinträchtigen. Obwohl vor diesem Hintergrund die Arbeiten zum grossen Teil in die Nacht verlegt werden, sind für einzelne Massnahmen Totalsperren der Strecke unabdingbar. Dies zum Beispiel beim Erstellen einer neuen Unterführung oder dem Ersatz des Gleisunter- und Oberbaus. Die Sperrungen werden bewusst im verkehrsärmeren Zeitraum von Mitte Oktober bis Mitte November terminiert, in der unter anderem der Glacier Express pausiert.
Kosten
Die Kosten für die Umsetzung des BehiGs fallen von Projekt zu Projekt sehr verschieden aus. Sie variieren sowohl infolge der jeweiligen Beschaffenheit der einzelnen Stationen vor den Umsetzungsmassnahmen als auch aufgrund der von Bahnhof zu Bahnhof unterschiedlichen erforderlichen Massnahmen zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben.
Zudem werden die Infrastrukturprojekte ganzheitlich geplant. Sprich, es werden im Sinne der Nutzung von personellen und finanziellen Synergiepotenzialen Bautätigkeiten für die Umsetzung des BehiGs mit anderen notwendigen Sanierungs- oder Erweiterungsvorhaben projektiert und budgetiert. Eine isolierte und detaillierte Angabe zu den Kosten für die Erfüllung der Vorgaben des BehiGs ist daher nicht möglich. Als Orientierung können die Kosten für die Umbaumassnahmen an kleineren Stationen mit nur einer Perronkante (bspw. Gluringen) dienen. Diese belaufen sich auf rund CHF 5 Mio., von denen der grösste Teil in die Umsetzung von BehiG-Vorgaben fliesst und ein kleiner Teil in den Substanzerhalt. Sämtliche Kosten für Infrastrukturmassnahmen im Bahnverkehr trägt die öffentliche Hand.